Hallo
Wollt ihr nun Bio-Poulet oder Poulet von glücklichen Hühnern? Dabei besteht ein grosser Unterschied. Wollt ihr dem grünen Fleck auf der Verpackung blind vertrauen oder damit nur euer Gewissen beruhigen (belügen)?
@HirschiS
Du möchtest glückliche Poulet-Hühner haben, das ist zwar nicht so einfach aber nicht unmöglich. Es ist letztendlich mit eigener Recherche, dem wälzen von Literatur und einem merklich teureren Preis verbunden. Wenn man sich wirklich für artgerechte Haltung und glückliche Hühner einsetzen möchte, sollte man überhaupt keine Geflügelprodukte in den Supermärkten, sondern ausschliesslich bei den wenigen Höfen, die echte Qualität garantieren können, kaufen. Davon gibts in der Schweiz aber nur ganz wenige und das Poulet kostet da auch viel mehr. Poulet und Eier auf Freilandhaltung gibts übrigens nicht im Winter, da wäre es bestenfalls Bodenhaltung. Betriebe die auf echte Qualität setzen, verkaufen daher im Winter sowas nicht. Bei reinen Hühnerbetrieben ohne zweites Standbein, steht echte Qualität somit nicht im Vordergrund.
Grundsätzlich gibt es zwei Hauptzuchtrichtungen nämlich Legehühner oder Masthühner. Hier ein Bild zum Vergleich der beiden Sorten.

Ein Legehuhn legt heute rund 300 Eier pro Jahr, insgesamt das ganze Leben etwa 420 Stück und lebt maximal zwei Jahre. Ein Masthuhn lebt maximal 40 Tage ist aber oft bereits nach 25 bis 30 Tagen so fett, dass es zum Schlafen nicht mehr aufbaumen kann. Zwar gibt es vereinzelt Höfe bei denen man mehr oder weniger „glückliches Poulet“ kaufen kann, doch der Preis liegt manchmal beim Vielfachen dessen was man so gewohnt ist. Mit etwas Hintergrundwissen ist der Preis gerechtfertigt, wenn die Hühner gemäss den strengen KAG-Vorgaben oder besser gehalten werden.
Ein wichtiger Punkt bei der Mast ist die Hühnerart, denn je „extensiver“ eine Art ist um so länger lebt sie. Nach IP-Suisse sind im Freilandbereich extensive und halbextensive Arten gestattet, wobei letztere Sorten aufgrund der kürzeren Lebensspanne die KAG-Anforderungen fast unmöglich erfüllen können. Es gibt aber auch Bauern und besonders Labels die sich diese Vorgaben sparen.
Frische Poulets und frische Eier von glücklichen Schweizer Freilandhühnern kann es zwischen November und März nicht geben, völlig egal was auf der Verpackung steht oder wie vertrauenswürdig sich die Marke darstellt.
Die Bauernzeitung bewirbt öfters einzelne KAG-Höfe die mit „langsamer Mast“ Geflügelfleisch produzieren. Bei dieser Methode leben Hühner oft doppelt bis dreimal so lange und brauchen dadurch wesentlich mehr Futter und Pflege. Was viele nicht wissen, im Winter findet bei echten Qualitätshöfen keine Mast statt, weil die Hühner im Winter frieren würden und man sie nicht draussen, sondern im Stall halten müsste. Das aber widerspräche den KAG-Richtlinien, deswegen beginnt die Mast mit neuen Hühnern jedes Frühjahr aufs Neue, ansonsten würde das KAG-Label entzogen.
Mastgeflügel muss mindestens zweidrittel der gesamten Lebensspanne im Freien verbracht haben. Die Stallzeit erfolgt direkt nach dem Schlupf, wo die Küken zum besseren Wachstum etwa drei Wochen in der Wärme gehalten werden. Mitte der vierten Woche kommen sie ins Freie, wo sie bis zur 11. oder 12. Woche bleiben. Erst danach dürfen sie geschlachtet werden. Bei extensiven Arten ist es problemlos auch ohne Antibiotika möglich, jährlich rund 1000 Poulets zu produzieren. Wenn man jedoch auf halbextensive Arten und Antibiotika setzt, kann die Produktion locker auf das doppelte gesteigert werden, was erhebliche Auswirkungen auf den Geschäftsgewinn hat.
Zudem gibt es noch andere Vorschriften, wie beispielsweise dass jedes Huhn mindestens zwei Quadratmeter Auslauffläche haben muss, der Betrieb maximal 400 Tiere enthalten darf und der Schlachthof nicht weiter als 30km entfernt ist. Eine eigene Hofschlachterei erfordert die Erfüllung weiterer Richtlinien vom Gesundheitsamt und sollte auch über eine ausreichende Kühlung verfügen. Das kann sich schon auszahlen, aber bei maximal 400 Tieren die gleichzeitig auf dem Hof sein dürfen, dauert das Jahre.
Wegen den vielen Vorgaben und Kosten gibt es Höfe, die das KAG-Siegel gar nicht wollen und einfach für ein Lügen-Siegel produzieren. Es gibt leider auch Mogel-Bauern mit Hofläden wo alles mögliche verkauft wird, weil umfassende Kontrollen fehlen. Kontrolliert werden lediglich die Höfe, die zertifiziert sind, aber wie oft und wie gründlich bleibt unbekannt. Markante Minuspunkte der KAG-Vorgaben bestehen darin, dass sie keine Antibiotika verbieten und das Futter nicht biologischen oder ökologischen Ursprungs sein muss, obwohl das oft problemlos machbar wäre.
Es gibt einige wenige Höfe, bei denen man alles besichtigen darf, die nur extensive Arten halten und wenn die dann auch noch mit einem KAG-Schild an der Strasse werben, ist das Poulet manchmal sein Geld wert. Aber wie viele Konsumenten trauen sich nach einer Führung zu fragen und wissen genau worauf man besonders achten müsste? Leider viel zu wenige und deswegen hat längst nicht jedes Poulet vom Hof glücklich gelebt.
In der Branche wird aber nur deswegen soviel geschwindelt, weil die Konsumenten keinen Schimmer von der Materie haben und sich auch keinesfalls damit befassen oder sich gar für etwas einsetzen wollen. Man bezahlt lieber etwas mehr für Waren mit grünen Flecken oder angeblich grossartigen Marken auf der Verpackung, um sich nicht selber kümmern zu müssen. Nicht zuletzt geht es oft auch darum, was die Mitmenschen von einem denken. Da kauft man lieber den angeblichen Bio-Mist als sich auf eine Diskussion einzulassen oder als arm abgestempelt zu werden. Das Verhalten ist durchaus vergleichbar mit der verbreiteten, eingebildeten Zwangsstörung, die viele Leute überteuerte Markenkleidung kaufen lässt. Hersteller, Verkäufer und Konzerne wissen ganz genau wie der Grossteil der Kunden ticken und verkaufen ihnen so täglich frisches Selbstbewusstsein. Diese Taktik ist auch als Afluenza bekannt. Ihr (und natürlich auch der Dummheit der Konsumenten) ist ein grosser Teil des kommerziellen Erfolges der Industriestaaten zu verdanken.
Die Welt will betrogen sein, das wusste schon Sebastian Brant (1458 – 1521).
Es grüsst das gelbe Migi-Ferkel